Samstag, 20. April 2013

Individualität und Anonymität im Web

 
Ich besitze einen Facebook- und Twitter-Account, bin in kwick und Skype angemeldet, tausche Bilder auf deviantArt, tausche Dateien auf dropbox, brainstorme in Mindmeister, besitze ein Profil bei Xing, habe diverse E-Mail-Adressen und da ich ab und an gerne mal das eine oder andere Passwort vergesse, inzwischen auch zwei Google-Konten, mit direkten Zugang auf YouTube, Videos uploaden tue ich allerdings auf vimeo – auch hier habe ich einen Account. Ich bin in einer mir unbekannten Anzahl von Shoppingportalen registriert u.a. eBay, Amazon, Brands4Friends und sportbrands. Meine Bankgeschäfte erledige Online über den Bankserver oder über meinen seperaten PayPal-Account. Ich bin gelegentlicher Online-Gamer an der Playstation und am PC, besitze auch daher einige Konten bei Spielepublisher wie ElectronicArts oder Ubisoft, einigen Untersparten und bestimmt noch vielen mehr. Wenn ich mir mehr Zeit nehmen würde, genauer darüber nachzudenken, wo ich überall meine virtuellen Zelte aufgeschlagen habe, würden diese mit Leichtigkeit einen Campingplatz am Sandstrand Copacabanas im Hochsommer überfüllen – und dabei schätze ich mich eher als einen gemäßigten Webnutzer ein o_O.

Ich kann mein Smartphone mit Facebook verknüpfen. Automatisch synchronisiert es mir Kontakte, samt Bilder und allen weiteren Informationen wie Geburtstage, Familienstand und viele mehr. Mein Smartphone ist sogar so schlau, dass es auch meine Skype-Kontakte und E-Mail Kontakte in einer einzigen Kontaktliste vereinigt. Immer häufiger wird auch eine Option angeboten, sich mit seinem Facebook Konto anzumelden. Ist doch verdammt praktisch, oder nicht? Mir geht es zumindest so, dass es einfach bequemer ist einen Button zu drücken, statt jedes Mal aufs Neue seine Anmeldedaten einzugeben. Dabei möchte ich vielleicht nur mal kurz checken, ob ich auch wirklich keine neue Message verpasst habe. Gibt es dafür mittlerweile nicht „What‘s App“? Aber egal, manchen reicht das ja bekanntlich nicht und müssen jeden Kruscht an ihre Pinnwand schreiben, überflüssige Kommentare teilen oder einen von hunderten „Bro&Sis4Ever“- Einträgen, mit blinkenden, kitschigen Herzchenbildchen, welches mit einem grässlichen Radialverlauf in ein händchenhaltendes Pärchen wechselt und in einer schnulzigen Kussszene mündet, in das Gästebuch ihrer ABF posten, mit einem beiläufigen „HDGDLFIUE, Friends4Eva <3<3<3“- und wenn das nicht reicht ihren furchtbaren Drang nach Mitteilungsbedarf in einem Blog zur Kenntnis bringen – und Gnade der Person ihrer 400 Freunde, die keinen Kommentar hinterlässt.
Meistens handelt es sich bei solchen „Menschen“ um Jugendliche um die 14-16 Jahre, die Ihren Status auf „Verpiss dich!“, als Wohnort „aus und vorbei“ angeben und ihr „Familienstatus“ je nach Laune wöchentlich von single, über verliebt bis verheiratet wechseln.
Oft wird darüber geredet, dass gerade die junge Generation anscheinend nicht über die Gefahren im Web Bescheid wissen und aufgeklärt werden müssten. Ich denke sie wissen sehr wohl Bescheid. Allein schon die Tatsache mehr als 100 Kontakte in einer Freundesliste zu haben, womöglich noch aktiv in Foren zu diskutieren oder Mitglied einer virtuellen Gruppe zu sein. Allein die Wahrscheinlichkeit nicht irgendwie über die Gefahren sozialer Netzwerke oder allgemein im Web nicht aufgeklärt zu werden ist meiner Meinung nach sehr gering. Ich denke es ist vielen entweder egal oder sind sich nicht über die weiter reichenden Konsequenzen bewusst. Aber auch selbst nach einer fachlichen Aufklärung denke ich nicht, dass die Jugendlichen deshalb auf ihr „Leben“ verzichten würden. Warum auch? Nirgendwo sonst bietet sich für die junge Generation eine bessere Gelegenheit, sich als Individuum so zu präsentieren wie man sich selber wünscht, statt wie man ist. Und nirgendwo sonst ist die Chance größer auch gefunden oder akzeptiert zu werden. Egal ob in sozialen Netzwerken oder in Online-Spielen, hier zählt nur wie Du Dich gibst, wie Du dich präsentierst – Dich verkaufst. Gewiss fließt dabei eine gewisse Anonymität mit ein, aber dennoch verrätst Du schon allein durch unbewusste Aktionen und Reaktionen sehr viel von Dir.


Ausgehend von meinen zahlreichen Accounts teile ich meine Bilder, meine Lebensmomente, Termine, Gedanken, Karriere, Wünsche, Vorlieben, Gewohnheiten, meinen derzeitigen Aufenthaltsort und Standort und wie man just in diesem Moment sieht, sogar meine Hausaufgaben – das alles passiert zum einen bewusst aber auch zum anderen unbewusst. Allein über die anfangs genannten Profile und Accounts könnte man ein endlos langes und detailliertes Profil anfertigen und logische Rückschlüsse ziehen – wie es ja inzwischen mit der Werbung der Fall ist. Ständig diese scheußlich animierten Werbefenster am Rand des Browsers, oder noch viel schlimmer: Über die Hälfte des Bildschirms, mit verdunkelten Hintergrund und einem winzigen „x“ oben rechts in der Ecke. Aber zum Schließen bitte auf „close“ klicken und nicht auf das „x“! Andernfalls reiht sich oben im Browser Tab an Tab – Schlimmer als die tägliche Autoschlange im Feierabendverkehr >_<“ – und was dann unter diesen Tab-Klonen zu finden ist, wollt ihr gar nicht wissen xD. – Kennt Ihr diese Werbefenster in denen Du Deine Handynummer eingeben kannst und Dir anschließend über den ominösen „Lovecalculator“ der perfekte Lebenspartner ermittelt wird? Wenn es jemanden gibt, den ihr überhaupt nicht leiden könnt oder etwaigen Telefonterror vorbeugen wollt, dann nennt hier nicht eure, sondern die Handynummer eures Opfers – der wird sich nicht mehr so schnell melden - glaubt mir :D.
Jaaa, das mit der Werbung ist so eine Sache und die kann, wie man sieht, manchmal richtig gemein sein. In anderen Fällen scheint sie aber doch unerwartete, übernatürliche, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. Da kauft man sich den schönsten PC für den Heimgebrauch, da poppt und platzt mir am nächsten Tag ein buntes Anzeigen-Feuerwerk entgegen – von Fachgeschäften und IT-Händler, die mir genau den gleichen PC verkaufen wollen. Deprimierend, wenn dieser dann dort auch noch unverschämt günstig angepriesen wird -_-.
Wir alle hinterlassen unsere Spuren im Web. Nicht selten verhalten wir uns dabei wie ein Trampel und geben großzügig Informationen preis. Das Web vergisst nicht. Wir alle sind wie Elefanten in der größten Porzellanmanufaktur der Welt. Wir müssen aufpassen was wir tun. Ein Regal stößt leicht das nächste um. Das ganze endet gerne in einer Kettenreaktion wo kein Stein auf dem anderen Bleibt bzw. kein Vase im Regal und wir Gefahr laufen, uns auch selber zu verletzen.
In den Medien gerne als Cybermobbing verpönt, ist es doch nichts anderes als „normales“ Mobbing – beides definitiv nicht angenehm.
Doch haben wir erst einmal gelernt das Gleichgewicht zu halten, nicht nur Stur geradeaus zu schauen, sondern auch mal nach Links und rechts und wir den Rüssel nicht zu voll nehmen, können uns schöne und lustige Überraschungen begegnen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen